Andreas Luketa
Andreas Luketa ist aus der deutschen Musical-Szene nicht wegzudenken: Als Geschäftsführer von Sound Of Music – Der Musical-shop, dem einzigen Fachgeschäft mit Onlineversand zum Thema Musical weltweit, des Labels Sound Of Music-Records und vor allem auch als Mastermind hinter Sound of Music-Concerts, das als Garant für hochwertige Konzert- und Tourneeproduktionen im Musicalbereich steht. Als Mitbegründer von Sound Of Music ist er seit nunmehr fast dreißig Jahren gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Markus Tüpker aktiv.
Sein alleiniges Baby ist das Art and Soul-Künstlermanagement, mit dem er seit rund 15 Jahren Musicalkünstlern eine umfassende Betreuung anbietet, die deutlich über eine reine Vermittlung hinausgeht.
Wir treffen uns bei bestem Sommerwetter auf der Terrasse eines Cafés. „Ist es nicht herrlich, einfach so ins Auto steigen zu können, quer durch das Land zu fahren und an einem anderen schönen Fleck wieder auszusteigen, um Menschen zu treffen, mit denen man über das Leben philosophieren darf?“. Demütig und dankbar sei er, ob dieser Freiheit, des Glücks, seiner Gesundheit und auch der finanziellen Möglichkeiten, dies einfach tun zu können, eröffnet der 57-Jährige unser Gespräch.
„Jedes Bombenattentat auf meine Seele, gab mir die Möglichkeit, genauer hinzuschauen“
Diese Lebenseinstellung habe er nicht von Anfang an gehabt, sie sei hart erarbeitet. Auch, springt er direkt in das Thema unseres Interviews, mit Hilfe mehrerer Therapeuten. „Immer wenn es in meinem Erwachsenenleben ein Bombenattentat auf meine Seele gab, das mich aus der Bahn geworfen hat, war das für mich gleichzeitig die Möglichkeit mit professioneller Hilfe hinzuschauen, warum das so ist und was der ursprüngliche, meist viel tiefer liegende Grund dafür war, warum mich etwas so dermaßen getroffen hat oder warum ich mich überhaupt in diese Situation gebracht habe.“ Rückblickend sei er sehr dankbar für jedes Problem, das er in seinem Leben hatte. „Denn ohne die, hätte ich mich nicht auf den Weg gemacht, nach Lösungen zu suchen“. Heute fühle er sich einfach rundum glücklich und zufrieden, „austherapiert quasi“. Die Fähigkeit, sich an allem freuen zu können, sei es die Natur, die Arbeit oder die Menschen um einen herum, mache ihn ein Stück weit unverwundbar. Allerdings, schränkt er ein, gäbe es dennoch auch bei ihm immer noch Erlebnisse, die ihn aus seiner Mitte bringen oder verletzen: Unehrlichkeit, fehlende Dankbarkeit, Illoyalität oder Menschen, die eine gemeinsame intensive Zeit einfach ausradieren, als ob es diese niemals gegeben hätte. Seine Grundhaltung helfe ihm aber, relativ schnell wieder zur Ruhe zu kommen. Aus seiner persönlichen Sicht sei es enorm wichtig, dass man Dinge, die man seit seiner Kindheit und auch der Pubertät angesammelt hat, und die immer wieder zu Problemen im aktuellen Leben führen, bearbeitet und auflöst.
„Es ärgert mich, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld, wenn ein erwachsener Mensch mit seinem Rucksack voller Probleme vor mir steht, den abschnallt, mir vor die Füße legt und
erwartet, dass ich ihn für ihn aufräume“. Das heißt im Konkreten, dass er mit Menschen, die unreflektiert immer wieder sich und Anderen das Leben schwer machen, weil sie falsche Verhaltensmuster
oder ein fehlendes, gesundes Selbstbewusstsein etabliert haben, seine Probleme hat. „Ich verstehe nicht, dass reife Menschen ihre Probleme einfach nicht erkennen wollen, oder dann, wenn sie sie
erkannt haben, nichts tun, um sie zu lösen". Da müsse er manchmal kapitulieren, denn seine Aufgabe sei es nicht, einen Erwachsenen zu therapieren.
Bei jungen Menschen sei er sehr aufgeschlossen und gern bereit, sie auf ihrem Weg zu sich selbst mit seinen eigenen Erfahrungen zu unterstützen. So wie bei seinen beiden (inzwischen flügge
gewordenen) Pflegekindern oder seinen jungen Künstlern.
In seiner Rolle als Manager sei er zu 50% auch Lebensberater. „Gerade in unserer Branche gibt es oft ein wenig ehrliches Umfeld. Kritik wird selten direkt,
sondern eher hinter dem Rücken der Künstler geübt. Dies führt dazu, dass man schnell in die Gefahr gerät, plötzlich in einem Wolkenkuckucksheim zu leben“. Umso wichtiger sei es, dass sich seine
Klienten auf seine Ehrlichkeit und sein Bemühen um Objektivität zu hundert Prozent verlassen können. „Manchmal tut es leider erst mal weh, wenn einer meiner Künstler von mir in irgendeiner
Hinsicht keine durchweg positive Rückmeldung bekommt“, weiß Luketa. Gerade deshalb sei es ihm so wichtig, dass man sich kenne und ein vertrauensvolles Verhältnis habe. Er halte es zum Beispiel
für einen der größten Fehler als Manager (und auch als Künstler!), sich von einem verlockenden Rollenangebot verleiten zu lassen, ohne genau zu überlegen, ob dieses Angebot auch wirklich zu dem,
was man sich künstlerisch wünscht, passt.
Man dürfe niemals darauf schauen, wo man als Agent die wenigste Arbeit hat oder wo die Provision am höchsten ist, sondern man müsse immer nur sein Auge darauf haben, wo der Darsteller am
glücklichsten ist, sich selbst am besten einbringen und verwirklichen kann. Natürlich müsse man als Künstler ab und zu auch Jobs annehmen, um einfach mal die nächste Miete zahlen zu können. Aber
man sollte sich nicht regelmäßig künstlerisch und / oder finanziell unter Wert verkaufen. „Denn das macht was mit dir, und zwar nichts Gutes.“
„Wer nicht von der Meinung seiner Kritiker abhängig ist und es als Privileg sehen kann, auf der Bühne stehen zu dürfen, kann authentischer sein“
Trotz seinem Bemühen, Künstler zu fordern und zu fördern, sei er schon häufig verletzt worden. Mehr als einmal saß der Stachel so tief, dass er – insbesondere in seiner Aufgabe als Konzertveranstalter – kurz davor war, alles hinzuwerfen.
Gerade bei großen Tourneen mit vielen Beteiligten sei es oft schwer, jedem mit seinen individuellen Anforderungen gerecht zu werden, was dann schnell mal dazu führen könne, dass sich ein Künstler nicht genug gesehen fühlt. Enttäuschungen und Konflikte seien dann vorprogrammiert.
Kürzlich habe einer seiner Künstler zu ihm gesagt „Ich stehe auf der Bühne, um zu singen und mich und andere Menschen glücklich zu machen. Ich würde sofort aufhören, wenn ich erkennen würde, dass ich nur noch meine eigene Eitelkeit befriedige“. Das habe ihn sehr gefreut, denn das sei genau die Einstellung, die er schätze. Man müsse das Talent und den Erfolg als Geschenk annehmen und dürfe sich nicht ausschließlich darüber definieren oder ihn als lebensnotwendig ansehen.
Das sei natürlich leicht gesagt in einem Umfeld, in dem man ständig Bewertungen der eigenen Person ausgesetzt ist. Selbstzweifel kämen da fast zwingend auf. „Gerade in den Sozialen Medien werden Außenwirkung und vermeintliche Beliebtheit durch Likes und Follower ja sogar ganz konkret messbar.“ Dazu kommt die ständige Bewertung des Aussehens und eine unterschwellige Angst vor dem drohenden Älterwerden und dem damit oft einhergehenden „Unsichtbarwerden“. Viele Künstler sähen es häufig auch als Entwertung ihrer selbst an, wenn sie über mehrere Monate kein Engagement bekommen oder empfinden es als Kritik an sich selbst, wenn sie bei Auditions nicht erfolgreich sind. Dabei gehöre das zum Job dazu und habe oft überhaupt nichts mit dem Können zu tun, sondern vielmehr mit Geschmack und der Vorliebe der Kreativen. „Für manche Künstler ist es – neben den finanziellen Aspekten – tatsächlich schwierig, plötzlich über mehrere Wochen viel Zeit zu haben und mit sich selbst konfrontiert zu sein.“, hat er erlebt. In dem doch sehr schnellen und hektischen Alltag von Bühnenmenschen habe man oft nicht die Möglichkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Umso größer sei für den ein oder anderen die Gefahr, dass in einer Ruhephase plötzlich einiges hochkomme, das vielleicht im vollgepackten Tourbetrieb oder bei sieben Shows die Woche keinen Raum hatte wahrgenommen zu werden, obwohl man es schon seit vielen Jahren in sich trägt.
In diesen Fällen wünsche er sich mehr Mut von Künstlern, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Leider gelte das in der Branche immer noch als Makel und viele hätten Angst davor, nicht mehr besetzt zu werden, wenn eine psychische Erkrankung im Raum steht oder bekannt wird, dass man sich helfen lässt. Im Bereich Film und Fernsehen erkenne er diese Bereitschaft inzwischen eher. „Oft quält man sich jahrelang mit den gleichen Problemen und macht sich und anderen das Leben schwer. Gespräche mit Freunden und Kollegen helfen da nur bedingt, sie lösen aber das Grundproblem nicht“, ist er sich sicher.
Andreas Luketa ist überzeugt, dass Künstler, die mit sich im Reinen sind und die Bühne nicht brauchen, um ihr eigenes Ego zu pflegen, deutlich freier in ihrer Kunst sind. „Ich denke, wer nicht von der Meinung seiner Fans und Kritiker abhängig ist und es einfach nur als Privileg sehen kann, auf der Bühne stehen zu dürfen, kann authentischer sein und wird sein Publikum im Zweifel eher erreichen“. Es lohne sich also auf jeden Fall, die Gründe, warum es einen auf die Bühne zieht, zu erkunden.
„Sich die Leidenschaft für das, was man tut zu bewahren, ist das Wichtigste“
Genau wie für diejenigen, die auf der Bühne stehen, sei für ihn das Thema Erfolgsdruck allerdings genauso präsent. So seien extrem positive Rückmeldungen, zum Beispiel nach dem ‚Mitternachtsball‘ oder den Konzerten der ‚This is the Greatest Show‘-Tournee, für ihn Fluch und Segen zugleich. Natürlich freue er sich sehr darüber, gleichzeitig verfalle er aber für einige Zeit in eine Art Schockstarre, weil er überlege, wie er den Erfolg im nächsten Jahr wiederholen oder gar noch toppen könne. Sein großes Glück sei, dass Musik ihn trotz seines Berufs ungebrochen begeistere. „Ich höre stundenlang Interpreten und Stücke aus allen Genres. Ich habe keine Berührungsängste und lasse mich immer wieder neu inspirieren.“ Dies führe gelegentlich dazu, dass ein Musicaldarsteller bei einem Sound of Music-Konzert auch mal etwas singt, das anfänglich vermeintlich außerhalb der Komfortzone liegt. Meist wird gerade aber das vom Publikum umso mehr geschätzt. Luketa hat ein untrügliches Gespür dafür, was zu wem passt und wie einzelne Songs zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt werden und mit einem roten Faden verbunden werden können. „Sich die Leidenschaft für das, was man tut zu bewahren, ist das Wichtigste“, resümiert er. „Nicht nur im Beruf, sondern im ganzen Leben“.
Wie schafft man es als Veranstalter sich nicht nur genau diese Leidenschaft zu bewahren, sondern auch dem Stress und den Herausforderungen des Tourneelebens standzuhalten? Gerade während der ‚This is the Greatest Show‘-Tour 2022, die massiv durch coronabedingte Ausfälle geprägt war, lagen die Nerven oft blank und Flexibilität war das Wort des Tages. Unverzichtbar sei es, so der Routinier, einen klaren Kopf zu behalten und analytisch an die Herausforderungen heranzugehen. „Damals mussten wir fast täglich neue Leute auf die Bühne holen, das war mit sehr vielen Proben tagsüber verbunden und ich habe bis heute größten Respekt vor unserer Cast, die das so großartig gemeistert hat.“ Natürlich träfen in solchen Situationen aber auch immer wieder Egos aufeinander, Enttäuschungen seien vorprogrammiert und er fühle sich Verletzungen – auch wenn sie im Eifer des Gefechts entstehen – hilflos ausgeliefert. „Da passiert es dann schon, dass ich – trotz breiter Schultern, die vieles abfangen können – mal weinend im Hotel sitze.“
Grundlage für einen funktionierenden Spielbetrieb sei es in solchen Fällen, schnell wieder zur inneren Stärke zu finden, Lösungen zu suchen, die Blickrichtung zu ändern und die Probleme der anderen (anzu-)erkennen. Was ihm dabei sehr helfe, sei es, nie zu vergessen, dass jeder für sein Verhalten individuelle Gründe habe. Das helfe ihm, Verletzungen im Nachgang meist zu verzeihen. „Es ist sehr wichtig, die gemeinsame Basis nicht zu verlieren.“ Es müsse immer möglich bleiben, weiter gemeinsame Projekte anzugehen.
Grundsätzlich finde er die Verwurzelung im „normalen Leben“ über Familie und Freunde, die nichts mit der Bühnenwelt zu tun haben, sehr wichtig. Gerade während langen Probenphasen, bei Long Run-Engagements oder auf Tournee, wenn diese Anker oft weit weg sind, sei eine feste Beratungsmöglichkeit, am besten vor Ort, aus seiner Sicht eine sinnvolle Option. „Es gibt immer häufiger feste Physiotherapeuten, aber niemanden für die Seele“. Hier müsse man aus seiner Sicht umdenken und ein entsprechendes Angebot installieren. (mak)
Danke für diesen interessanten Blick hinter die Kulissen, lieber Andreas Luketa!
Mental Health Tipp:
Die wichtigsten Prägungen entstehen während der ersten Lebensjahre. Eine psychische Herausforderung, die im Erwachsenenalter auftaucht, hat ihren Ursprung somit in der Regel in der Kindheit und wird durch die aktuelle Situation lediglich reaktiviert. Das Aufarbeiten von (oft unbewussten) Kindheitserlebnissen, die sogenannte Arbeit mit dem inneren Kind, kann dabei helfen, das eigene Handeln besser zu verstehen und Verhaltensmuster zu durchbrechen.
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